Tu spoczywa w Bogu ś. p. Dr. Józef Fethke [Daten] R i p
[Übersetzung:] Hier ruht in Gott seligen Angedenkens Dr. Józef Fethke [Daten] R i p
Lebenslauf:
JF wurde in Groß Chelm, kaschubisch Dużé Chełmë, im Kreis Conitz (auch Konitz, pl. Chojnice, kaschub. Chònice), damals ein Teil Westpreußens, geboren und unter dem Namen „Joseph Hieronymus“ katholisch getauft. Seine Eltern waren Theresia, geb. Berendt, und Andreas Fethke. Sein Vater war in Groß Chelm seit etwa 1848 Dorflehrer, entstammte einer deutschen Familie aus Steinborn (Słupia) bei Preußisch Friedland (Debrzno) und war des Kaschubischen mächtig: „Es gab damals nur eine Klasse, die der Lehrer Fethke unterrichtete. In ihr wurden 103 katholische Schüler unterrichtet. Schüler anderen Glaubens gab es nicht“ (Głomska). Hier verbrachten sicher auch JF und seine mindestens sieben Geschwister ihre ersten Schuljahre. Eine seiner Schwestern war Agata Teodora (1860-1951). Sie begründete mit ihrem Mann Izydor (Seefried-)Gulgowski, alias Gùlgòwsczi, 1906 das bekannte kaschubische Museum in Sanddorf (kaschub. Wdzidzen, pl. Wdzydze Kiszewskie), das erste Freilandmuseum im Bereich des heutigen Polens.
JF gibt in seiner Kurzvita zu seiner Dissertation an: „ Ich […] besuchte die Gymnasien zu Konitz, Pelplin, Neustadt Westpreußen [Wejherowo] und Culm [Chełmno] an der Weichsel, woselbst ich Ostern 1889 die Reifeprüfung bestand. Sodann bezog ich die Universität zu Königsberg“. 1895 erhielt er sein Arztdiplom und schloss 1897 sein Medizinstudium mit seiner Dissertation „Ueber einen selteneren Fall von Nasenstein“ und dem Doktortitel für Medizin, Chirugie und Geburtshilfe ab und ließ sich dann als „praktischer Arzt“ in Ohra (Orunia) bei Danzig nieder. 1898 heiratete er in Danzig-Oliva (Oliwa) kirchlich und in Sopot (Zoppot) standesamtlich Sophia Dorothea von Stumberg-Sychowska (1871-1948), von Beruf „virtuose Pianistin“. Ihr Vater stammte aus Skrzeszewo in der Kaschubei, in welcher vermutlich auch sie aufgewachsen war.
Nachdem der einzige polnische, in Oppeln praktizierende Arzt, Aleksander Czarnowski, gestorbenen war, gelang es der polnischen Minderheit in Oppeln JF zu bewegen 1902 dorthin umzuziehen, wo er sich in der Odervorstadt, einem einfachen Arbeiterviertel und Zentrum der polnischen Minderheit, niederließ. Das Paar hatte zusammen vier Kinder, die ihre Kindheit und Jugend in Oppeln erlebten und die zweisprachig, in Deutsch und Polnisch, aufgezogen wurden: – Jadwiga Maria, genannt „Henjo“, – Stefan, – Jan Kazimierz (1903-1980), Pseudonym: „Jean Forge“, ein deutsch-polnischer Filmregisseur, Drehbuchautor und Esperanto-Schriftsteller sowie – Edmund Józef.
JF war vermutlich aufgrund seiner Kindheitserfahrungen mit der in seiner Heimat lebendigen kaschubischen Sprache Dialekten und Sprachen generell sehr zugetan, so interessierte er sich etwa in seiner Oppelner Zeit für die von Johann Martin Schleyer erfundene Kunstsprache „Volapük“ sowie für Esperanto, welche Neigung er auch seinen Kindern vermittelte.
In Oberschlesien arbeiteten um 1900 etwa 50 Ärzte, die sich in der polnischen Minderheit in Oberschlesien engagierten. Einer von ihnen wurde nun JF, der seit 1902 in Oppeln praktizierte. Laut des Oppelner Adressbuch von 1909: wohnte „Fethke, Josef, Dr. med., prakt. Arzt“ am Breslauerplatz 10. Sein aktives Eintreten für die polnische Minderheit erschwerte seine Karriere und belastete das Verhältnis zu seinen deutschen Kollegen. So hatten z. B. 1903 der Verband der Ärzte des Industriegebiets behauptet, dass polnische Ärzte aus Großpolen nach Oberschlesien geschickt würden, um dort in der polnischen Nationalbewegung tätig zu werden und dafür sogar eine finanzielle Belohnung erhielten. Fethke und andere Ärzte forderten 1904 in einem offenen Brief Beweise für diese Anschuldigungen beizubringen.
Ärzte polnischer Nationalität durften damals nur privat behandeln, da sie nicht für die deutschen Krankenkassen zugelassen wurden. So war der Anfang für JF sehr schwer und seine Patienten kamen vor allem aus der polnischen Minderheit der umliegenden Dörfer, was ihm nur ein bescheidenes Auskommen erlaubte. 1908 war er einer der Begründer der „Towarzystwo Lekarzy Polaków na Śląsku” (Verband polnischer Ärzte in Schlesien), der sich für eine Verbesserung der Rechtslage seiner Mitglieder einsetzte. JF selbst gelang es nach intensiven Bemühungen 1911 schließlich als Kassenarzt zugelassen zu werden, vermutlich half ihm dabei, dass er geborener deutscher Staatsbürger war und zudem wohl akzentfrei deutsch sprach. 1914 verlegte er seine Praxis in die Innenstadt, vielleicht an den Ring, Nr. 11, wo sein Sohn Jan noch 1920 lebte. Während des Ersten Weltkriegs wurde JF in die deutsche Armee einberufen und einem Militärlazarett zugeteilt. Vielleicht aufgrund seiner dortigen Verdienste wurde er 1918 in Oppeln sogar zum „Sanitätsrat“ ernannt. Nach seinem überraschenden, frühen Tod 1919 wurde sein Begräbnis zu einem Manifest der polnischen Bevölkerung Oppelns (Gwóźdź, S. 59). Wenig später zog seine hinterlassene Familie ins nunmehr polnische Bydgoszcz (Bromberg) um.
Hauptquellen:
Piotr Szarejko, Słownik lekarzy polskich, t. 1, Warszawa 1991.
Krzysztof Brożek, Polscy lekarze na Górnym Ślasku na przełomie XIX i XX w., w: Medycyna Nowożytna 8/1, s. 111-143, tu: s. 118–199, 125.
Bernhard Pabst, Zwischen Deutschland und Polen: Jan Fethke (1903-1980) Autor, Regisseur, Esperantist, Bonn 2003.
Andrzej Gwóźdź, Odkrywanie prowincji: z dziejów X muzy na Górnym Śląsku, Kraków 2002.
Janina Głomska, Dzieje wsi Wielkie Chełmy, s. 4; www.brusy.pl/t_pliki_/1150.doc.
Hanna Popowska-Taborska, Ewa Rzetelska-Feleszko, Georg Wenker, Fundacja Slawistyczna, Instytut Slawistyki (Polska Akademia Nauk): Dialekty kaszubskie w świetle XIX-wiecznych materiałów archiwalnych: […], Warszawa 2009, s. 121.
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